Text: Andreas Löschner-Gornau
Obwohl der Erhaltungszustand des Gemäldes im ganzen nicht sehr gut ist, beeindruckt das Portrait durch das charaktervolle, gesammelte Gesicht des jungen Mannes. -Jan van Halen, das ist der Name des porträtierten, Brügge 1432- diese Angaben, in niederländischer Sprache, findet man auf dem Rahmen des Bildes, der sich erhalten hat, so daß keine Zweifel über die Identität des Dargestellten bestehen. Wer war dieser unbekannte Meister aus Brügge?
Das Auffallendste an diesem Gemälde ist der prüfende, auf den Betrachter gerichtete Blick. Damit hat der Maler etwas Neues gewagt, was es bis dahin in den Niederlanden nicht gegeben hat. Ein Vergleich mit derselben Konzeption in Jan van Eycks Portrait ”Mann mit rotem Turban” aus dem Jahr 1433 liegt nahe. Ist vielleicht gar Jan van Eyck der Autor des Werkes? Derartige Spekulationen meines Kollegen aus Antwerpen sind durch kein noch so kleines Indiz zu belegen und wohl eher seiner jugendlichen Unruhe geschuldet, aber nicht das Resultat einer disziplinierten Forschungsarbeit. Was bleibt ist das von meisterlicher Hand gearbeitete Portrait.
Der junge Mann wendet sein Gesicht dem Betrachter zu und schaut mit kühlem Blick aus dem Bild heraus: ein Konterfei eines mit sich und den Verhältnissen unzufriedenen Rebellen.Trotz der alltäglichen, typischen Kleidung eines Postkutschers zu Beginn des 15. Jahrhunderts, erfährt das Portrait durch Symmetrie und reine Fornalität feierliche
Überhöhung. Aus der Bildmitte heraus dominieren die beiden leicht übersteigerten Nasenlöcher des jungen Mannes, so daß das Portrait nicht nur den Betrachter zu beobachten
scheint, sondern ihn quasi beschnüffelnd inhaliert.
 
Man kann diese Leistung an Komposition und Bildidee nicht hoch genug einschätzen: hier zeigt sich erstmalig in der Geschichte der Malerei der Versuch einer Emanzipation des Bildes gegenüber seinem Betrachter. War es doch bis dahin so, daß der mit einem Bildwerk konfrontierte selbiges prüfend inspizierte, als gut bis mäßig aburteilte, vielleicht nicht einmal eines Blickes würdigte. Mit dem Portrait des unbekannten Meisters aus Brügge eröffnet sich dem Bild endlich die Gelegenheit diesen Fakt umzukehren. Das Portrait prüft nun sein
Betrachter. Ein Dialog zwischen Beiden wird endlich möglich, eine Begegnung von Gemälde und menschlichen Gegenüber in der die Interessen des Bildes nicht mehr hilflos der
gedanklichen Willkür des Rezipienten ausgeliefert bleiben.
 
Technik: Rahmen blattvergoldet, LCD 15”, interaktive Malerei

Installation und Technik

”Junger Mann mit Mütze” ist ein interaktives Kunstwerk.

Ein Computer erfaßt über Lichtschranken die Position des Betrachters vor dem Bild. Auch werden variablen wie Uhrzeit, Datum, Bewegungsgeschwindigkeit, ... von der Software verarbeitet.

Aus einem Vorrat von ca. 1000 Bildern (des Portraits) und 1000 Texten wechselt das Bild seine Erscheinung. - So erhält jeder Betrachter seine ”Geschichte” und ein Dialog zwischen Bild und Betrachter entsteht. Befindet sich der Betrachter außerhalb des Erfassungsbereiches wird vom Bild das ”Standartportrait” gezeigt.

Bilder zu Installation und Aufbau

Homepage Andreas Löschner-Gornau
http://www.loeschner-gornau.de/loeschner.html

Dokumentation der Ton- und Bildinstallation "Beim Essen spricht man nicht"

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